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Auf der Insel Brač

Lozisca und Bobovišća Insel Brac Ložišća und Bobovišća Insel Brac

Milna ist eine dieser kleinen, historischen Ortschaften Dalmatiens, die eine besondere Stimmung ausstrahlen. Dazu trägt der natürliche Hafen wesentlich bei, der gegen alle Windrichtungen und die Brandung der offenen See bestens geschützt ist. Die Flotte des römischen Kaisers Diokletian, dessen Palast in Split die Hafenfront schmückt, soll hier sicher vor Anker gelegen haben. Vermutlich wurde so schon früh der Grundstein gelegt für eine Gemeinschaft von Seeleuten – Fischer, Kapitäne, Bootsbauer – Denn Milna ist bekannt für ihre nautische Tradition. Große Werften bauten hier im gesamten Mittelmeer geschätzte Holzschiffe, die Braceras, benannt nach dem italienischen Namen für das heutige Brač: Braca, Brazza. Heute kommen Freizeitkapitäne mit ihren Yachten in die Marina von Milna und beleben die maritime Kultur der Stadt neu.

„Der Tizian“ und die Russen

Milna geht auf das 16. Jahrhundert und auf das Kastell der Familie Cerinic zurück. 1783 weihte die Gemeinde die Kirche St. Mariae Verkündigung. Es ist ein aparter Barockbau mit Rokokofassade, in dessen Inneren ein paar kunsthistorische Schätzchen zu entdecken sind. Hervorzuheben ist dabei das Gemälde der Verkündigung. Die Kirche preist das Bild als eine Arbeit von Tizian persönlich an. Wir bezweifeln jedoch diese Zuschreibung – und jeder, der echte Tizians zu Gesicht bekommen hat, wird uns sicherlich darin folgen. Den Reiz der Kirche schmälert das unserer Meinung nach aber nicht. Ganz im Gegenteil, so können wir uns besser auf die folkloristisch geschmückten Grabmäler und so einiges Verstecktes konzentrieren, statt nur Augen für einen Tizian zu haben. Wir erhaschen durch einen Türspalt einen Blick in die Sakristei und sehen, dass dort noch einiges an kleinen und vielleicht auch „großen“ Schätzen abgestellt ist!

Interessanterweise wurde die Bucht von Milna in der napoleonischen Zeit von der russischen Armee als Stützpunkt genutzt. In der Seeschlacht von 1806 schlug hier die Flotte des Zaren die Franzosen, die Brač annektierten, was jedoch die Russen mit Hilfe der Einheimischen zu verhindern wussten. Milna wurde zur Verwaltungszentrale der Insel und zur kaiserlichen Residenz erklärt. Kurz wähnte diese glorreiche Zeit, und dass der Zar hier tatsächlich seinen Urlaub verbrachte, ist gleicherweise (wie das Tizian-Gemälde) nur ein Gerücht.

Milna auf Insel Hvar Milna auf Insel Hvar

Über heilige Bettler und vorromanische Kirchen

Am nächsten Tag brechen wir zu einer Wanderung auf. Zunächst besuchen wir die Kirche Sveti Martin. Angeblich ist diese Kapelle vorromanisch. Wir vermuten mit etwas gutem Willen frühmittelalterlich, aber eigentlich jünger. Doch beeinträchtigt diese fragwürdige Zuschreibung diesen Ort in keinster Weise – Ruhe, Würde und Harmonie strahlt er aus.

In einen Baumstumpf hinter der Kirche ist ein großes M eingeritzt. Wir deuten den Buchstaben als Hinweis auf den heiligen Patron des Ortes. Auch das Relief des Altarretables im Inneren der Kirche zeigt den Ritter Martin zu Pferde mit dem obligatorischen Umhang und Schwert. Der Bettler zu seinen Füßen ergreift den Mantelzipfel. So weit, so gut, aber dann werden wir stutzig: Der Bettler trägt einen Heiligenschein. Das gibt zu denken, und es ist nicht anzunehmen, dass dies im Mittelalter die übliche Kopfbedeckung war. Allerdings soll dem heiliggesprochenen Ritter Martin Christus als Bettler verkleidet im Traum erschienen sein. Haben wir es hier, in dieser abgelegenen, kleinen Kirche inmitten der Berge von Brač mit einem überaus gebildeten Künstler oder seinem Auftraggeber zu tun? Wir staunen.

Weitere Fragen kommen auf, während wir unser Picknick verspeisen und die Reiseführer konsultieren: Der „kleine Glockenturm“, so heißt es, soll aus dem 14. Jahrhundert stammen. Vielleicht steht die Kirche auf alten Fundamenten, doch diese, euphemistisch als Turm bezeichnete, einfache Glockenaufhängung ist sichtlich nicht so alt. Winzig ist das Kirchlein, und so staunen wir abermals, als unser Reiseführer davon berichtet, zwei Gemeinden – Milna und Bobovišća – hätten hier Platz gefunden. So so, denken wir, da wanderten also die Schäfchen zweier Gemeinden jeden Sonntag Vormittag in die Berge.

Kloster Komplex Blaca auf Insel Brac Kloster Komplex Blaca auf Insel Brac

„Bohnenorte“ in den Bergen und am Meer

Unser nächstes Etappenziel ist der kleine Ort Bobovišća. Das Wort bob bedeutet auf Kroatisch Bohne – also: auf zum „Bohnenort“. Den Weiler gründeten ebenfalls im 16. Jahrhundert Hirten und Schäfer an einer der auf Brač seltenen Süßwasserquellen. (Heute kommt das Wasser für die Einheimischen und die viele Touristen per Leitung vom Festland.) Unsere Geschichte zu Bobovišća geht folgendermaßen: Die Hirten entdecken frisches Quellwasser und dazu noch saftiges Weideland, auf dem sie ihre Tiere mästen können. Nach und nach schlachten sie aber die fett gewordenen Tiere bis am Ende keines mehr übrig ist. Die Hirten werden zu Bauern und bauen fortan erfolgreich Bohnen an. Die Hülsenfrüchte sind ein großer Verkaufsschlager und machen die Bewohner unglaublich reich. Zum Dank nennen die ehemaligen Hirten das Dorf „Bohnenort“. Soweit unsere nicht ganz ernst gemeinte Anekdote über die untüchtigen Hirten und schlauen Bauern. Doch tatsächlich sehen wir dem Ort den früheren Wohlstand noch immer an.

Offenbar wollten sie das Erfolgsrezept fortsetzen und machten eine „Filiale“ auf, indem sie Bobovišća na Moru, den „Bohnenort am Meer“ gründeten. Auch dazu haben wir eine kurze Geschichte zu erzählen: Der berühmte kroatische Dichter Vladimir Nazor kehrte nach dem zweiten Weltkrieg auf seine Heimatinsel zurück und baute sich in Bobovišća na Moru ein kleines Schlösschen – vermutlich zur poetischen Inspiration. Ob er versucht war, dort auch Bohnengedichte zu schreiben, wissen wir nicht zu berichten.

Badebucht mit Strand auf Insel Hvar nähe an Ortschaften Milna, Ložišća und Bobovišća Badebucht mit Strand auf Insel Hvar nähe an Ortschaften Milna, Ložišća und Bobovišća

Zur Franz-Josef-Brücke und zurück

Unsere Wanderung führt uns weiter durch eine in der Nachmittagssonne leuchtende Kulturlandschaft, durch Olivenhaine und vorbei an pittoresken Behausungen. Wir suchen die historische Brücke (=Most) „Franje Josip“. Abgesehen davon, dass sie nach dem österreichischen Kaiser Franz Joseph benannt ist, wissen unsere Reiseführer erstaunlicherweise nichts weiter über die Brücke im Wald zu berichten. Es ist ein schöner, friedlicher Ort, an dem wir in Gedanken versunken eine weitere kleine Stärkung aus dem Picknickrucksack zu uns nehmen. Mit gutem Essen versorgt verlieren wir gänzlich die fortgeschrittene Zeit aus dem Sinn und erst als die Sonne hinter den Bäumen verschwindet, realisieren wir, dass der Rückweg noch lang ist. Den Busfahrplan von Bobovišća im Hinterkopf nehmen wir die Beine in die Hand. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir atemlos den „Bohnenort“ und warten geschlagene zwei Stunden auf den „letzten Bus“. Wir hätten wohl noch eine ganze Nacht wartend verbracht, hätte uns eine alte Dame nicht aufgeklärt. Die Dame ging mit ihrer Katze spazieren als wir sie im radebrechenden Kroatisch nach dem Bus fragen. Sie erklärt uns, dass kein Bus mehr fährt, sie leider aber auch kein Auto habe, sonst wäre sie mit uns nach Milna gefahren. Wir bedauern diesen autofreien Umstand sehr. Die Katze reibt sich zum Abschied an unseren Beinen und trabt zurück ins Haus. Vor uns liegen einige Kilometer unbeleuchtete Serpentinenstraße zurück nach Milna.