Der Marjan im Herbst – Die Einsamkeit das Paradies Split ist wie so viele größere Städte und Metropolen für die meisten Touristen ein Ziel für einen Tagesausflug. Sie kommen, um den Palast des Diokletian zu sehen und an der Hafenpromenade zu flanieren. Wer sich aber ein paar Tage Zeit nimmt und sich auf die Stadt einlässt, bekommt mehr zu sehen.
Von Split aus folgen wir zunächst der Uferstraße und entdecken in der Nähe des Yachthafens eine im postsozialistischen Stil errichtete Bade- und Wassersportanstalt. Die Weite der Architektur fasziniert uns. An einer Wand verspricht eine per Hand aufgemalte Werbung Speiseeis. Doch wo nur in dieser betonierten Leere? Ein Passant weist uns den Weg: Dort, wo wir nichts mehr erwartet haben, ganz hinten um die letzte Ecke herum, auf einer Plattform direkt am Meer, versteckt sich ein kleines Café.
Wir lassen uns Zeit und lassen uns treiben – von der südlichen Küstenstraße zur Halbinsel Marjan, der grünen Lunge von Split. Dort locken ein botanischer Garten auf der Meerseite und ein zoologischer Garten auf der Festlandseite der schmalen Landzunge. An deren westlicher Spitze gibt es zudem ein ozeanografisches Institut. Uns interessieren die vielen heiligen Stätten auf dem Hügel.
Durch Römischen Kaiser Diokletian gegründete Stadt Split ist heute eine beliebte Reiseziel in EuropaÜber Stufenwege schlängeln wir uns zwischen dicht stehenden Pinien hinauf auf den Hügel. Wie an vielen Orten in Kroatien ist der Wald hier in früheren Jahrhunderten abgeholzt worden. Die Kornaten blieben bis heute kahl. Auf dem Marjan wurden die Aleppo-Kiefern erst im 19. und 20. Jahrhundert wieder angepflanzt. Die Luft duftet nach ihren Nadeln und dem Harz, das in Griechenland zur Herstellung von Retsina- Wein verwendet wird.
Dunkel-violette Kaktusfeigen locken mit leuchtend rotem Fruchtfleisch – verführerisch süß. Doch Vorsicht! Die leckeren Früchte haben feine Dornen mit unangenehmen Widerhaken, die bei Berührung sofort in den Fingern hängen bleiben.
Ein Netz aus Wander- und Fahrradwegen liegt über der hügeligen Halbinsel, die mit ihren gut 400 Pflanzenarten bereits seit 1964 unter Schutz steht. Das Wort Marjan soll sich vom Lateinischen fundus marianum ableiten. Auch hier wieder ein Hinweis auf die Pflanzenwelt – in diesem Falle auf die Mariendistel. Viele weitere Namen hatte und hat der Hügel bis heute. Die Einwohner von Split nennen ihn Merjan.
Wir versuchen die vielen kleinen Wallfahrtskapellen und Einsiedeleien aus dem 13. bis 15. Jahrhundert zu finden, die verstreut auf dem Marjan verteilt sind. Als Segler interessiert uns natürlich die Kirche des Heiligen Nikolaus, des Heiligen der Seefahrer. Beim Vorbeisegeln begrüßten die Seeleute den Berg, sodass ihrem Heiligen zu Ehren im Jahre 1219 diese Kirche errichtet wurde.
Riva in Split (Hafen) ist wohl eine der scönste in Südeuropa. Im Hintergrund ist Kaiserpalast von DiokletianÜberall auf dem Marjan spüren wir die Magie der Geschichte. Leider sind die Kirchen alle verschlossen. Wir finden keine von ihnen geöffnet vor. Eine Einsiedelei aus dem 15. Jahrhundert ist dem Heiligen Hieronymus geweiht.
Der berühmte Kirchenvater und Schutzpatron Dalmatiens empfand schon im vierten Jahrhundert die Städte als übervölkert und zu eng. Er zog die Einsamkeit des Marjan der quirligen Stadt Split vor. In einer Grotte lesen wir eine Inschrift, die er persönlich hier hinterlassen haben soll: MIHI OPIDUM CARCER SOLITUDO PARADISUS EST. Für mich ist die Stadt ein Gefängnis, die Einsamkeit das Paradies.
Auf dem höchsten Punkt des Marjan stand 178 Meter über der Adria eine Telegrafenstation, die dem Hügel seinen Namen gab – Telegrin. Auf dem Weg nach oben kommen wir an einem alten jüdischen Friedhof mit Hunderten von Grabfeldern vorbei. Im 16. Jahrhundert siedelte sich eine Gruppe von Juden in Split an, die aus Spanien vor der Inquisition geflohen war.
Der Aufstieg zum Telegrin und zu den verschiedenen Aussichtsterrassen lohnt sich. Uns bietet sich ein atemberaubend dramatischer Sonnenuntergang über der Bucht von Kaštela. In blau, grau und weiß, blutrot, gelb und violett spielen Himmel, Sonne und Wolken.
Mit uns pilgern viele Einheimische hierher, um das Schauspiel vor der Kulisse der vorgelagerten Inseln zu genießen. Mit einbrechender Dunkelheit startet die Prozession von Sonnenuntergangsanbetern jedes Alters zurück und hinunter in die Stadt.
Im Osten schließt der Marjan direkt an die Reiseziel Split an. Treppen führen uns bis in das ursprüngliche Altstadtviertel Veli Varoš, wo in verwinkelten Gassen urige Konobas, Bars und gemütliche Restaurants locken sowie auch hier wieder einige Kirchen und Kapellen. An der Riva, der Uferpromenade lassen wir unseren Spaziergang ausklingen. Der hell erleuchtete Diokletianpalast sorgt für die richtige Stimmung am Abend. Von diesem wollen wir ein anderes Mal berichten.