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Wanderung durch Stari Grad und das Ager-Feld auf Hvar

In Stari Grad, lesen wir in einem Reiseführer von 1967, geben die Hoteliers bis zu 50% Ermäßigung, wenn es zwischen sieben Uhr in der Frühe und 17 Uhr am Nachmittag mehr als drei Stunden regnet. Weiter steht dort geschrieben, dass sie an Wintertagen mit Nebel, Schnee oder Temperaturen um den Gefrierpunkt gar den gesamten Zimmerpreis zurückerstatten. Aufgrund des überaus milden Mikroklimas sind sie wohl mit diesen Angeboten kaum ein Risiko eingegangen.

Seit der Antike besiedelt

Uns empfängt die Insel Hvar an einem angenehm warmen Wintertag mit leicht bewölktem Himmel und dem Duft von Pinien und feuchtem Waldboden, während wir mit der Fähre von Split nach Stari Grad in die mehrere Kilometer lange Bucht einfahren. An diesem Samstagmorgen herrscht eine entspannte Atmosphäre. Aus Neugier und da wir keinen Stadtplan in der Tasche haben, betreten wir die Touristeninformation, die zentral im mittelalterlichen Ortskern der Stadt gelegen ist. Der Mitarbeiter mit seinen tätowierten Armen sieht aus wie der Anführer des hiesigen Motorradklubs. Er gibt uns freundlich Auskunft und hebt die Sehenswürdigkeiten des Ortes hervor.

Insel Hvar ist seit Antike Besiedelt Insel Hvar ist seit Antike Besiedelt

Alte Stadt – Stari Grad auf Kroatisch

Stari Grad bedeutet auf Kroatisch „Alte Stadt“, und bezeichnet damit präzise das, was sie ist: eine seit der griechischen Antike, spätestens seit dem vierten Jahrhundert nach Christus bestehende Ortschaft. Anzunehmen ist, dass die Region noch früher besiedelt wurde. Stari Grad hieß in der Antike Pharos und war ein bedeutendes Handels- und Schifffahrtszentrum der Region, zeitweise sogar ein Bischofssitz. Seine ehemalige Bedeutung sieht man dem Ort noch heute an. Das historische Zentrum ist wie auf vielen kroatischen Inseln erfreulicherweise autofrei, was sie davon bewahrt, an der alten Bausubstanz Raubbau zu betreiben. Die Straßen sind immer noch mit altem Kopfstein gepflastert, das zwar entsprechendes Schuhwerk ratsam macht, aber die Stimmung in den Gassen wesentlich mitbestimmt. Überhaupt sollte man in Stari Grad und Umgebung häufiger den Blick nach unten richten, um ungewöhnliche Spuren der Vergangenheit zu entdecken. Und auch wenn die meisten Menschen Kopfsteinpflaster nicht als sehenswert empfinden, so haben sie hier (und auf anderen kroatischen Inseln) die Gelegenheit dazu, das Gegenteil zu lernen.

Kirchen und Stadtpalais aus der Renaissance und dem Barock

Wir folgen den Sträßchen der Altstadt und landen sehr bald vor einer der vielen ehrwürdigen Kirchen aus der Renaissance und dem Barock. Zahlreiche Stadtpalais spiegeln die langwährende Handelskraft der Insel und den beachtlichen Wohlstand vieler Bewohner wider. Wer sich in der Wappenkunde auskennt, kann an den Hausfassaden einiges dechiffrieren, das Hinweise auf die Familien und ihre historische Bedeutung gibt.

Stari Grad Hvar, Altstadt und Verwaltungsgebäude Stari Grad Hvar, Altstadt und Verwaltungsgebäude

Wohnschloss des Dichterfürsten Petar Hektorović

Uns fasziniert vor allem das Wehr- und Wohnschloss des Dichterfürsten Petar Hektorović, der von 1487 bis 1572 hier lebte und wirkte. Überrascht sehen wir, dass sein kleiner Palast mit Sinnsprüchen und Gedichten ‚vollgeschrieben‘ ist. Es macht Spaß, seine in Latein und Kroatisch verfassten Verse überall auf Treppenstufen, Gesimsen, Torbögen und Mauerwerk zu entdecken! Der Fürst hat angeblich nur ein einziges Mal seine festungsartige Behausung verlassen: als er mit den Fischern hinausfuhr, um ihre Sprache, ihre Bräuche und Sagen zu studieren. Darüber hat er das Buch „Ribanje i ribarsko prigovaranje“ („Fischerei und die Dialoge von Fischern“) geschrieben, das noch heute als ein wahrer Schatz an zoologischen und maritimen Ausdrücken gilt. Romantisch mutet indes der Innenhof seines Hauses an, und so kann man es sich vielleicht besser vorstellen, dass er dieses Refugium nie verlassen hat.

Wilder Fenchel, Villen und Trockenmauern

Unweit der Altstadt beginnt schon das Landleben. Wir schnüren unser kleines Rücksäckchen mit Verproviantierung und machen uns zu einer Wanderung auf. Zu entdecken gibt es das Ager-Feld, das älteste in Gänze erhaltene kultivierte Feld der Welt! Wir können das kaum glauben, aber die UNESCO hat es auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt, und das heißt schon etwas. Das Besondere dieses Fleckchens Erde liegt in seiner agrarwirtschaftlichen Kontinuität, die nachweislich im vierten Jahrhundert nach Christus begann und bis heute – mehr oder weniger – andauert. Mit Ager bezeichnete man übrigens in der Antike eine Landparzelle und. Eine griechische Parzelle zählte 1 x 5 Stadien, das sind 180 x 900m mit Trockenmauern umzäuntes Feld. Man betrieb nicht nur Landwirtschaft, sondern baute auch große Villen, sogenannte Villae Rusticae, Landhäuser von zum Teil beachtlichem Ausmaße. Die Ruinen einer solchen Villa auf dem Maslinovik-Hügel in Dračevice sind sicherlich ein lohnenswerter Ausflug, sie liegen nämlich über der einzigen Wasserquelle des gesamten Ager-Feldes.

Die Grüntöne und das Silbrige der Olivenbäume

Uns nimmt der Ort sofort gefangen. Wir lassen den Blick über die ausgedehnte Ebene schweifen, nehmen all die Grüntöne und das Silbrige der Olivenbäume in uns auf, atmen den Duft der Kräuter ein und hören die Zikaden. Wir haben wieder den Geruch der Erde in der Nase. Auch wenn heute vieles brachliegt und die Villae Rusticae von der wuchernden Natur verschluckt werden, merken wir, dass sich seit der Antike die Stimmung nicht verändert hat. Auf den uralten Feldern finden wir noch immer die gleichen Pflanzen vor wie die antiken Menschen: Feigen, Rosmarin, Salbei, wilder Fenchel, Weinreben und Olivenbäume.

Hafen im Altstadt vom Stari Grad, Farbenfroh mit grün- und Türkistönen Hafen im Altstadt vom Stari Grad, Farbenfroh mit grün- und Türkistönen

Trockenmauern & Trimas

Es ist faszinierend, den Spuren der Vergangenheit nachzugehen. So staunen wir nicht nur über die langen Trockenmauern, sondern vor allem über die Trimas. Das sind einfache Rundhäuser. – Nein, eigentlich sind es kleine architektonische Wunderwerke, gebaut aus Steinen ohne jegliche Bindemittel, deren Dächer aus übereinandergelegten, dünnen Steinplatten bestehen. Wir bücken uns hier und da, sammeln ein paar flache Steine auf und setzen sie auf die zerfallenen Mauern und in die Lücken der Trimas-Wände ein. Ein klitzekleiner Beitrag zum Erhalt dieser wunderschönen und faszinierenden Kultur-Landschaft.

Sonnenuntergang vom Altstadt Stari Grad auf Insel Hvar Sonnenuntergang vom Altstadt Stari Grad auf Insel Hvar

Wir schlagen uns durchs Gebüsch und finden einen alten verlassenen Hof. Keine Villa Rustica, aber warum sollte diese Anlage nicht auf den Fundamenten einer solchen stehen? Die Aussicht ist atemberaubend schön. Und dann entdecken wir im Gestrüpp etwas Wunderschönes: eine antike Ölpresse mit den in das weiche Gestein säuberlich eingeschlagenen Kanälen und Auffangwannen für das ausgepresste Olivenöl, vielleicht auch für den Saft der Reben. So ganz zufällig haben wir offenbar jene Stelle entdeckt, die die Hochglanzbroschüre des Touristikbüros auf Hvar als Eyecatcher benutzt, um die Touristen in das Ager-Feld zu locken. Zurecht, wie wir finden.